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Tobias Gerlach im Interview: Fachkraft für Lagerlogistik spricht über Jobchancen, Krisensicherheit und Schichtarbeit

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Tobias Gerlach hat 2011 die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik gestartet. Nun ist er 29 Jahre alt, nach wie vor in der Logistikbranche und blickt mit uns zurück auf 10 Jahre Berufserfahrung. 

azubister: 2014 hast du die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik beendet. Inzwischen arbeitest du – nach wie vor für den gleichen Betrieb – an einem anderen Standort als stellvertretende Schichtleitung. Was ist dazwischen passiert?

Tobias: Direkt nach der Ausbildung war ich als Lagerhelfer angestellt. Ein Jahr später durfte ich dann schon in die Rolle des stellvertretenden Schichtleiters schlüpfen, allerdings war das Projekt auf ein Jahr befristet. 2018 wurde ich wieder befördert, bis ich 2020 den Standort gewechselt habe. Nach einer kurzen Phase als Lagermitarbeiter, wurde mir die Stelle als stellvertretender Schichtleiter wieder angeboten. 

azubister: Du hast die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik gemacht. Wieso hast du dich nicht für die „Ausbildung zum Fachlageristen“ oder „Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen“ entschieden? 

Tobias: Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Ausbildungsberufen ist der Anteil an kaufmännischen Inhalten. Die Ausbildung zum Fachlageristen dauert nur zwei Jahre, weil der kaufmännische Teil so gering ist. Diese Ausbildung konzentriert sich wirklich auf das Lager. Die Ausbildung zum Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen hingegen war mir zu dem Zeitpunkt zu „bürolastig“. Nach der Schule hatte ich genug von der Theorie und wollte endlich mehr praktisch arbeiten können. Zu dieser Zeit waren auch deutlich mehr Ausbildungsstellen für die Ausbildung zur Fachkraft ausgeschrieben. Inzwischen hat sich das ohnehin geändert, wenn die zweijährige Ausbildung, also die Ausbildung zum Fachlageristen angeboten wird, dann meist direkt mit der Option das dritte Ausbildungsjahr noch dranzuhängen. Für viele ist die Vorstellung eine zweijährige Ausbildung zu machen sehr attraktiv und wenn es dann soweit ist, entscheiden sich viele doch dafür, das letzte Ausbildungsjahr zu machen.

azubister: Viele dreijährige Ausbildungen kann man, wenn man gute Noten hat und der Betrieb grünes Licht gibt, auch verkürzen. Wäre das bei dir auch möglich gewesen? 

Tobias: Grundsätzlich ja. Von der Schule aus wurde es mir empfohlen, mein Betrieb hat es allerdings abgelehnt. Mir kam das sehr recht, ich hatte deutlich mehr Zeit, mich auf die Prüfung vorzubereiten. Für mich war es so entspannter. 

azubister: Du hast es eben schon angedeutet. Der Grund, warum sich viele für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik entscheiden, ist, dass man sich einen abwechslungsreichen Job vorstellt. Bewegung wechselt sich mit Bürotätigkeiten ab. Wie sieht die Realität aus?

Tobias: Das trifft auf jeden Fall zu. Es ist weder stumpfes Anpacken, noch reine Bürotätigkeiten. Buchungen, Systemarbeiten und ähnliches machen wir am Computer, anschließend steht man dann wieder im Lager. Schon die Ausbildung war sehr abwechslungsreich, schon da durchläuft man im Büro mehrere Abteilungen, man lagert aber auch oder ist für das Umladen zuständig. 

azubister: Du hast dich ziemlich schnell von der Fachkraft für Lagerlogistik zur stellvertretenden Schichtleitung hochgearbeitet. Waren die Aufstiegschancen ein Grund, dich für die Logistik zu entscheiden?

Tobias: Dass es die Möglichkeit gibt, wusste ich bereits in der Ausbildung, aber für mich war das kein Kriterium. Es gibt tatsächlich viele Aufstiegschancen und ich plane, nicht mehr lange in meiner jetzigen Position zu bleiben. Grundsätzlich macht das den Beruf natürlich attraktiv. 

azubister: Die Coronakrise hat viele Branchen hart getroffen. Dort rechnen viele Angestellte nicht mit zeitnahen Beförderungen. Wie sieht die Lage bei euch aus? 

Tobias: Coronabedingt gab es bei uns Materialengpass, somit hatten wir an manchen Tagen weniger zu tun. Wenn dann die Lieferung ankommt, muss man natürlich extra viel Gas geben. Dennoch war ich nie in Kurzarbeit und konnte immer arbeiten. Der Job ist krisensicher und wird es auch bleiben. Im Gegenteil, bei uns herrscht Fachkräftemangel. Auszubildende werden dringend gesucht, genauso wie Gabelstaplerfahrer und Kommissionierer. 

azubister: Du sagst der Job ist sicher. Die Logistikbranche ich nach der Autoindustrie und dem Handel tatsächlich die drittgrößte Branche und sie wächst weiter. Siehst du die Lagerarbeit nicht durch die KI gefährdet?

Tobias: Theoretisch ist das ein Punkt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass auch in unserer Branche alles so günstig wie möglich sein soll, die Unternehmen wollen sparen und vermeiden Investitionen in Neuanschaffungen. Außerdem gibt es genug Tätigkeiten, die von einem Roboter nicht übernommen werden könnten. 

azubister: Der Job ist sicher, abwechslungsreich, hat gute Aufstiegschancen – es klingt, als wärst du sehr zufrieden mit deinem Beruf und könntest die Ausbildung empfehlen?

Tobias: Auf jeden Fall! Mein Alltag ist nach wie vor sehr abwechslungsreich. Ich arbeite noch immer bei demselben Unternehmen, bei dem ich die Ausbildung gemacht habe und anschließend übernommen wurde und plane, dies vorerst nicht zu ändern. 

azubister: Wem würdest du einen Job in der Logistikbranche empfehlen?

Tobias: Zunächst muss man mit körperlicher Anstrengung rechnen. Gebrechlich sollte man also nicht sein. Wer schon früh Rückenprobleme hat, wird im Lager nicht glücklich. Es kann durchaus sein, dass man auch mal zehn oder 15 Kilo bewegen muss, dafür braucht man körperliche Fitness oder muss sich Hilfe holen. Außerdem sollte man schon Freude an Ordnung haben, was nicht heißt, dass es nie chaotisch wird. 

azubister: Du sagst, man soll sich Hilfe holen können. Demnach sollte man auch gerne in einem Team arbeiten.

Tobias: Ich würde nicht sagen, dass Teamarbeit ein Grundstein des Berufs ist, jedoch sollte man natürlich auch keine Berührungsängste haben, damit man sich wie in der eben beschriebenen Situation schnell Unterstützung suchen kann.

azubister: Und wie sieht es mit Fremdsprachenkenntnissen aus? 

Tobias: Ich bin für die interne Kommunikation zuständig, deshalb brauche ich Englisch im Alltag nicht. Für die externe Kommunikation sind gute Englisch-Sprachkenntnisse in Wort und Schrift auf jeden Fall von Vorteil. Viele Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, sprechen polnisch, russisch und rumänisch. Es ist natürlich nicht notwendig für den Job, aber diese Sprachkenntnisse sind durchaus praktisch. 

azubister: Wir haben uns heute um 15:00 Uhr getroffen, vorher hast du die Frühschicht übernommen. Wie geht es dir mit der Schichtarbeit? 

Tobias: Ich arbeite in der Regel von 06:00 bis 14:00 Uhr, denn bei uns gibt es nur zwei Schichten – die Früh- und die Spätschicht. Das ist je nach Betrieb unterschiedlich geregelt. Phasenweise wird bei uns auch die Nachtschicht angeboten, allerdings ist niemand verpflichtet, diese zu übernehmen und es finden sich immer ausreichend Freiwillige aufgrund des finanziellen Zuschlags. 

azubister: Kannst du dich noch an deine Bewerbungsphase vor der Ausbildung erinnern? Wie lief diese ab?

Tobias: Nach dem Versenden meiner Bewerbungsunterlagen wurde ich zu einem Einstellungstest eingeladen, im Grunde ein Assessment-Center. Dort wurden Allgemeinbildung, Mathematik, logisches Denken und Englischkenntnisse abgefragt. Darauf sollte man unbedingt vorbereitet sein. Anschließend wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Dort wurden die klassischen Fragen gestellt: Welches sind deine Stärken; Wo siehst du dich in zehn Jahren; Wie bist du auf uns aufmerksam geworden – solche Fragen. 

azubister: Kannst du daraus konkrete Tipps für die Bewerbungsphase ableiten?

Tobias: Zunächst sollte man gut vorbereitet sein, seinen Lebenslauf kennen und gegebenenfalls Lücken erklären können. Außerdem sollte man das Unternehmen kennen, natürlich nicht die gesamte Geschichte, aber es sollte ersichtlich sein, dass man sich mit dem potentiellen Arbeitgeber auseinandergesetzt hat.

Außerdem sollte man sowohl zum Einstellungstest als auch zum Vorstellungsgespräch nicht im Anzug erscheinen. Natürlich sollte man gepflegt aussehen, aber ein Hemd und eine Jeans oder Pullover und Jeans sind lieber gesehen.

Wenn man sich auf das Bewerbungsgespräch gut vorbereitet und zeigt, dass man Lust auf die Ausbildung hat, stehen die Chancen, eine Ausbildungsstelle zu bekommen, sehr sehr gut. 

azubister: Danke für dieses Interview. 

Das Interview führte Esther Hilger.